Rahmenforschung
04.11.2022

Originale Rahmen, Künstlerrahmen, Rahmen aus der Zeit:

In der Talk Tour am Donnerstag, 10.11.22 um 15.00 Uhr, führen Museumsdirektor Daniel J. Schreiber und Werner Murrer durch die Ausstellung Brücke + Blauer Reiter im BUCHHEIM MUSEUM in Bernried am Starnberger See und nehmen die unmittelbare Umgebung des Bildes in den Fokus – den Rahmen.
Die aktuelle Präsentation von Gemälden der beiden Künstlervereinigungen bietet ein geeignetes Umfeld, um das Thema Rahmen aufzugreifen, denn die Rahmung ihrer Werke war für die expressionistischen Künstler keine Nebensache. Speziell die Künstler der Brücke haben den Rahmen als zum Bild gehörig angesehen, sich intensiv mit der Rahmung ihrer Werke auseinandergesetzt und für ihre Gemälde Rahmen entworfen, ja sogar eigenhändig gestaltet. Karl Schmidt-Rottluffs Gemälde Besuch im von ihm selbst geschnitzten und gefassten Rahmen ist hierfür ein Beispiel.

 

 

Schmidt Rottluff Detail

In die mittig auf den Unterrahmen aufgenagelte flache Leiste schnitzte Schmidt-Rottluff geometrische Ornamente und gestaltete sie anschließend mit Silberbronze. Die untere breite Rahmenleiste ist mit Goldbronze gestrichen.

Eckdetail oben links: Karl Schmidt-Rottluff, Besuch, 1910, KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ

 


Nicht weniger bedeutend ist das Thema einer passenden Einrahmung für Arbeiten des Blauen Reiter, wenn auch von den Künstlern selbst keine Entwürfe von Rahmen bekannt sind.

 

Erfahren Sie Interessantes über ursprüngliche, von den Künstlern intendierte Rahmungen, aber auch über das Fehlen originaler Rahmen und ihr möglicher Nachbau.

 

 

Ausstellungsansichten:

Jawlensky
Bleyl
Kirchner

 

 

 

 

Das Thema Nachbau eines originalen Rahmens wird in der Ausstellung anhand eines konkreten Beispiels sogar anschaulich:
Für das Gemälde Erich Heckel und Doris im Atelier von Ernst Ludwig Kirchner wurde ein originaler Rahmen des Künstlers von WERNER MURRER RAHMEN rekonstruiert. Das Bild ist eine Leihgabe der KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ. Es entstand 1910 und wird in einem Rahmen präsentiert, wie sie Kirchner für seine Werke aus den frühen 1910er Jahren häufig verwendete und zum Teil auch selbst anfertigte. Kirchner prägte den Begriff des „Bretterrahmens“. »Ich will die Bilder nur in einfachen Bretterrahmen«1 , schreibt er in einem Brief vom 16.01.1918 im Zuge einer Ausstellungsvorbereitung im Kunsthaus Zürich an den Designer und Architekten Henry van de Velde. Der „einfache Bretterrahmen“ – ein Rahmen, bestehend aus zwei vertikalen und zwei horizontalen Leisten mit Eckverbindung auf Stoß, wobei die Holzoberfläche der Rahmenschenkel weitgehend unbehandelt ist. Somit bleiben Struktur und Grundform des Bretts erkennbar. Bei den Brücke-Künstlern kommt der „Bretterrahmen“ entweder holzsichtig oder auch mit Bronze oder Farbe gestaltet, vor. Für Kirchners Bild Erich Heckel und Doris im Atelier wurde er im Nachbau mit schwarzer Fassung umgesetzt. Als Vorlage und Orientierung diente das Gemälde Erna mit Japanschirm, das Kirchner 1913 malte und welches von einem originalen schwarzen Bretterrahmen umgeben ist. In seiner Schlichtheit, sowohl hinsichtlich der Konstruktion als auch der Farbgebung, bildet der rekonstruierte, schwarz gefasste Rahmen mit dem Gemälde Erich Heckel und Doris im Atelier eine Einheit – er greift die schwarzen Partien und Linien im Bild auf, ohne das Motiv zu überlagern.

 

 

Kirchner 

Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Doris im Atelier (recto), 1910, KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ

 

 

Zum Gemälde gibt es allerdings noch eine Zusatzinformation, bisher wurde sozusagen nur eine Seite der Medaille betrachtet:
Bei dem Werk Erich Heckel und Doris im Atelier handelt es sich um ein doppelseitiges Bild. Auf der Rückseite stellte Kirchner das Sammlerehepaar Gustav und Luise Schiefler dar – Schieflerpaar, 1923. Für eine Präsentation dieser Bildseite entschied man sich bei der Rahmung für den Nachbau eines originalen Profilrahmens von Kirchner mit innen abgeschrägter Kante. Dieses ebenfalls schlichte Rahmenprofil, gefasst mit Goldbronze, ist bei Gemälden Kirchners um 1920 bekannt. Es umgibt beispielsweise das Bild Wettertannen von 1919, das als Vorlage für die Rahmung von Schieflerpaar verwendet wurde.

 

 

Kirchner 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ernst Ludwig Kirchner, Schieflerpaar (verso), 1923, KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ

 

 

Je nachdem, welche Seite des Bildes gezeigt wird, ändert sich die in Abstimmung auf das jeweilige Gemälde rekonstruierte Einrahmung. Vor Ort im BUCHHEIM MUSEUM haben Sie nun Gelegenheit, sich Kirchners Erich Heckel und Doris im Atelier im schwarzen Bretterrahmen genauer anzusehen.

Die Ausstellung Brücke + Blauer Reiter ist noch bis 13.11.22 zu besichtigen.

 

  1. Kirchner zit. nach: Nele van de Velde (Hg.): Ernst Ludwig Kirchner. Briefe an Nele und Henry van de Velde, München 1961, S. 78.

 

Abbildungen (von oben nach unten):

Karl Schmidt-Rottluff, Besuch, 1910, KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ (Einleitungsfoto)

Alexej Jawlensky, Kopf in Blau, 1912, BUCHHEIM MUSEUM DER PHANTASIE, BERNRIED AM STARNBERGER SEE

Fritz Bleyl, Oberstdorf, 09/1924, BUCHHEIM MUSEUM DER PHANTASIE, BERNRIED AM STARNBERGER SEE / Langfristige Leihgabe Edda Bleyl © Bleyl, Berlin/Solingen

Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Doris im Atelier, 1910, KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ

 

 

Arbeitsfotos:

 

Ernst ludwig kirchner, Erich Heckel und Doris im Atelier, 1910 

 

Kirchner 2 Schlitz und Zapfen
Kirchner 2 verleimen 3
Kirchner 2 verleimen 2
Kirchner 2 verleimen
Kirchner 2 schwarze Farbe 3
Kirchner 2 schwarze Farbe 2
Kirchner 2 schwarze Farbe
Kirchner 2

 

 

 

 

Ernst ludwig kirchner, Schieflerpaar, 1923

 

 

 

Kirchner beizen
Kirchner bronzieren
Kirchner patinieren
Kirchner Patina abwischen
Kirchner 1

 

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