Presse
21.03.2022
Rupprecht Geiger, Ohne Titel (520/68), 1968, Acryl auf Leinwand, originaler Künstlerrahmen mit Acrylleisten

Rupprecht Geiger, Ohne Titel (520/68), 1968, Acryl auf Leinwand, originaler Künstlerrahmen mit Acrylleisten, ARCHIV GEIGER, München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Bilderrahmen in München und weltweit

In einem schlecht sitzenden, qualitativ minderwertigen Anzug auf eine Operngala gehen? Niemand möchte das. Niemand möchte unpassend angezogen sein. Sich selbst im besten Licht zu zeigen, ist den meisten Menschen sehr wichtig. Leider verhält es sich ganz anders, wenn wir unsere Kunst präsentieren: Sie wird oft in völlig stillose, falsche Rahmen gesteckt. Selbst dann, wenn sie gar keinen Rahmen nötig hat (und das ist bei den meisten zeitgenössischen Kunstwerken der Fall). Schlecht gerahmte Kunst ist keine Ausnahme, sondern die Regel, nicht nur hier in Deutschland, sondern weltweit. 
Diese Tatsache ist mir schon lange ein Dorn im Auge, schon lange möchte ich auf die eklatanten Defizite unserer Rahmenkultur aufmerksam machen. Nun hat mir KARL & FABER Kunstauktionen die Möglichkeit gegeben, die Missstände offenzulegen, vor Augen zu führen, warum so viele Rahmen falsch sind und was sie mit der Kunst machen. Ein Bewusstsein für die richtige Rahmung zu wecken ist mein Ziel. Wie wir ihm näherkommen, erfahren Sie in meinem Artikel für das KARL & FABER Journal Im Austausch 2022:

 

 

 

Im Namen der Kunst

Eine Diagnose gegenwärtiger Rahmenkultur 

 

Ein kitschiger Pseudo-Barockrahmen für Claude Monet, eine Schattenfuge für Emil Nolde – Bilderrahmen sind meist gut gemeint. Sie sollen die Kunst schützen, sie an der Wand halten, sie stolz präsentieren. Gut gemeinte Rahmen sind aber keine Rahmen, sondern schaden der Kunst.

 

Der Kunstmarkt floriert, er generiert viel Geld. Kunst ist eine beliebte Geldanlage, dient vielen als Statussymbol. Behandelt wird die Kunst allerdings sehr schlecht. Käufer zahlen 400.000 oder gar 500.000 Euro für ein kleinformatiges Auflagenobjekt von Gerhard Richter, nur um es dann in einen protzigen, billigen Pseudo-Renaissancerahmen mit Leinenpassepartout zu stecken. Die Kunst soll einfach nur imponieren und möglichst wirkungsvoll zur Schau gestellt werden. Die wenigsten aber setzen sich mit ihr auseinander, schauen sie wirklich an. Sonst würden sie erkennen, dass ein Gemälde von Gerhard Richter gar keinen Rahmen nötig hat. Im Gegenteil: Der Künstler verzichtet ganz bewusst darauf. Rahmen und Leinenpassepartout sind hier widersinnig, sie zerstören das Bild. Die wenigsten zeitgenössischen Gemälde brauchen einen Rahmen. Wir leben in einer rahmenlosen Zeit. 

 

Auf dem Weg in eine rahmenlose Zeit

Ein Rahmen ist ein konstitutives Bildelement. Er grenzt das Bild von der Umgebung ab und verweist damit auf seine Autonomie. Gleichzeitig verbindet er das Kunstwerk mit der Wand und vermittelt so zwischen Werk und Welt. Die moderne Kunst seit den Avantgardebewegungen des frühen 20. Jahrhunderts strebte nach Entgrenzung. Der traditionelle Kunstbegriff sollte aufgebrochen, tradierte ästhetische Normen in Frage gestellt werden. Das äußerte sich auch in Form und Verwendung der Bilderrahmen. So hörte für die Expressionisten der Künstlergruppe Brücke das Bild nicht am Bildrand auf, sie bezogen den Rahmen mit in ihr Kunstwerk ein, bemalten und gestalteten ihn individuell. Gemälde und Rahmen bildeten ein Gesamtkunstwerk. Die Kunst sollte sich mit dem Leben verbinden und über den Rahmen hinaus in die Welt hineinragen. 

 

Rahmen seit den 1950ern bis heute

Seit den 1950er Jahren haben sich die Künstler zunehmend von der Rahmung befreit. Rupprecht Geiger reduzierte seine Rahmen auf dünne, schmale Randleisten, die er direkt an das Bild nagelte. In den 60er Jahren rahmte er manche Arbeiten, der damaligen Zeit entsprechend, mit Leisten aus Alu oder Plexiglas. Auch Gerhard Richter rahmte seine Werke zu dieser Zeit minimalistisch nur mit Randleisten. Oder Arnulf Rainer: er rahmte mit rohen, bewusst nicht eloxierten Aluleisten. Bis die Künstler schließlich vollkommen auf die Rahmen verzichteten. 
Kunstwerke, die Künstler schon in ihrer Entstehungsphase rahmenlos denken, brauchen keinen Rahmen. Ihre Gemälde mit üppigen Goldrahmen zu versehen, gleicht einer Misshandlung. Die Künstler ziehen die Leinwände auf immer dicker werdende Keilrahmen auf, bis zu vier und fünf Zentimeter stark sind sie mittlerweile. Und das geschieht nicht, um den Keilrahmen stabiler zu machen, sondern ganz bewusst. Diese Werke sind eigenständige Körper, ein äußerer Rahmen ist vollkommen überflüssig und unnötig. Leider passiert genau das immer wieder: Die Arbeiten werden oft in Rahmen eingesperrt, eingegrenzt, wie in einer Kiste begraben. 

 

Papierarbeiten und Fotografien rahmen

Papierarbeiten sind gesondert zu betrachten. Natürlich ist es adäquat, Zeichnungen, Drucke und Fotografien zu rahmen. Ob ganz klassisch mit Passepartout oder frei im Rahmen hängend, richtet sich nach Werk und den Wünschen der Auftraggeber. Aber auch hier findet ein Umdenken statt. Bestes Beispiel sind die Präsentationen von Wolfgang Tillmans: In seinen Ausstellungen klebt oder pinnt er seine Fotografien direkt an die Wand, manche sind auf Alu-Dibond-Platten aufgezogen, andere sind klassisch und aufwendig hinter Glas präsentiert, manche davon mit Passepartout, wieder andere frei schwebend im Rahmen. Tillmans spielt mit den Präsentationsweisen, das ist ein künstlerischer Umgang. Und jede Weise ist berechtigt und richtig.

 

Der richtige Rahmen

Mein Team und ich setzen uns seit über 30 Jahren für die richtige Rahmung und Präsentation ein. Unsere Maxime lautet: WIR GEBEN DER KUNST DEN RICHTIGEN RAHMEN. Ein richtiger Rahmen stellt keine Behauptung auf, sondern tritt in Dialog mit dem Kunstwerk, spricht mit ihm. Wenn die beiden sich mögen und kommunizieren, entsteht eine harmonische Einheit, eine gemeinsame Aura. Dabei gibt es für die richtige Rahmung keine allgemeingültige Standardlösung. Ein Kunstwerk entsprechend seiner Entstehungszeit zu rahmen, ist eine sehr gute Herangehensweise. Ein Werk der Moderne mit einem Rahmen aus dem Barock, kann ebenfalls wunderbar funktionieren, vorausgesetzt beide bilden eine Einheit. Und in der zeitgenössischen Kunst liegt die richtige Rahmung eben oft im Verzicht derselben.

 

Der falsche Rahmen

Es ist traurig, fast schockierend, ein Werk der Moderne zu sehen, das in einem kitschigen Goldrahmen mit Schattenfuge gerahmt ist. Arbeiten der klassischen Moderne, die immer schon überlappend gerahmt wurden, freiliegend im Rahmen zu zeigen, ist ästhetisch falsch. Expressionisten haben nie mit einer Schattenfuge gerahmt. Eine schmale Randleiste von einem Gerhard Richter aus den 60ern zu entfernen und durch eine Leineneinlage und einen billigen Pseudo-Renaissancerahmen zu ersetzen, ist ein Skandal! Diese Leineneinlagen sind für mich besonders schwer erträglich. Sie kamen in den 50er Jahren auf, schnell aber war man sich einig, dass sie für moderne und zeitgenössische Kunst vollkommen unpassend sind. Jetzt werden sie wiederentdeckt. Mit dieser gut gemeinten, aber falschen Rahmung soll eine Wertigkeit erzeugt werden, die das „nackte“ Kunstwerk eigentlich besser vermitteln könnte. 
Auf Kunstmessen finden sich häufig einförmige Präsentationen: Ob im- oder expressionistisch, alle Werke werden mit dem gleichen Rahmentypus gerahmt. Rahmen werden wie dekorative Schubladen behandelt, die beliebig gefüllt werden, es findet keinerlei Auseinandersetzung mit der Kunst statt. 
Museen weltweit sind voller Monets, die in kitschigen Pseudobarock-Rahmen leiden. Claude Monet hat lange gelebt, der französische Barock war längst vorbei. Ein später Monet aus den 1920er Jahren kann durchaus mit einem schlichten, originalen Rahmen aus diesem Jahrzehnt gerahmt werden. Genauso gut und stimmig kann er in einem geschnitzten Barockrahmen präsentiert werden. Das sollte im Idealfall ein originaler Barockrahmen sein, einer, der schon etwas abgewaschen ist, Charakter und Patina hat und impressionistisch wirkt. Keinesfalls sollte ein billiger Gipsrahmen aus dem Barock-Baumarkt ausgewählt werden. Es würde vermutlich auch niemand auf die Idee kommen, auf Parkett einen Laminatboden zu verlegen, um darauf eine Barockkommode zu präsentieren.

 

Folgen eines falschen Rahmens

Kunstwerke werden auf diese Weise nicht nur ästhetisch ruiniert, oft werden sie auch durch eine konservatorisch falsche Rahmung dauerhaft beschädigt. Nahezu täglich bekommen wir Arbeiten auf Papier, die unsachgemäß gerahmt wurden: Die Blätter sind auf holzhaltigen Pappen mit falschem Kleber befestigt, selbst vor Teppichklebeband wird nicht zurückgeschreckt, und das Glas liegt ohne Abstand direkt auf. Das ist keine Rahmung von Kunst - das ist Sachbeschädigung! Vermeintliche Einrahmer sind die besten Zulieferer der Restauratorenwerkstätten.

 

Positive Entwicklungen

Es gibt aber Hoffnung, langsam macht sich unser jahrelanges Bemühen um die richtige Rahmung und Präsentation bemerkbar: Auf Auktionen werden originale Künstlerrahmen zunehmend beschrieben und benannt, Museen aus der ganzen Welt kontaktieren uns, um originale Rahmen für ihren Bestand auszusuchen. Bis auf unseren Katalog UNZERTRENNLICH. Rahmen und Bilder der Brücke-Künstler gibt es bisher leider fast keine Grundlagenforschung zu Rahmen des Expressionismus. Auch das ändert sich zaghaft: Immer wieder erhalten wir Anfragen von Studierenden der Kunstgeschichte, die dazu forschen. Oft beraten wir junge Künstler der Kunstakademie bei der Wahl der richtigen Präsentationsweise. Vereinzelt lassen Privatsammler ihre einheitlich, falsch gerahmte Sammlung neu mit individuell auf die Kunstwerke abgestimmten Rahmen einfassen.

 

Worauf achten?

Bei der Rahmung kann vieles falsch, aber auch vieles richtig gemacht werden. Voraussetzung ist, den Rahmen als Teil des Kunstwerkes zu betrachten und ein Gefühl für die richtige Rahmung zu entwickeln. Den richtigen Rahmen für ein Kunstwerk zu erkennen und auszuwählen lässt sich erlernen. Ästhetische Kompetenz wird aus sinnlicher Erfahrung gewonnen: Schulen Sie Ihr Auge! Schauen Sie möglichst viel Kunst an! Gehen Sie in Museen, Galerien und Ausstellungen oder werfen Sie einen Blick auf unseren Instagram-Account. Schauen Sie, seien Sie neugierig, offen und sensibel, für das was um sie herum geschieht – dann wird Ihr ausgewählter Rahmen nicht nur gut gemeint sein, sondern tatsächlich gut.

 

Werner Murrer 

WERNER MURRER RAHMEN

 

 

 

Werner Murrer WERNER MURRER RAHMEN Bilderrahmen München

Foto: Albrecht Fuchs

 

Werner Murrer gilt als weltweit führender Rahmenexperte und Vorreiter der handwerksgeschichtlichen und kunsthistorischen Erforschung von Künstlerrahmen, speziell der Brücke-Künstler. In seiner Werkstatt WERNER MURRER RAHMEN im Süden Münchens rahmt sein interdisziplinäres Team für internationale Museen, Galerien, Sammlungen, Künstler und Privatkunden.

 

 

 

Ausstellungsansichten mit dem Blick eines Rahmenmachers:

Gerhard Richter Abstraktes Bild 918 1 2011 500px
Gerhard Richter Besetztes Haus 659 3 1989 500px
Gerhard Richter Grau 401 1976 1080px
 

Dass zeitgenössische Gemälde in den wenigsten Fällen einen Rahmen brauchen, machen diese drei Gemälde von Gerhard Richter deutlich. Sie sind in der Ausstellung Gerhard Richter. Portraits. Glas. Abstraktionen. im ALBERTINUM, Dresden bis 01.05.2022 zu sehen.

 

Gerhard Richter, Abstraktes Bild (918-1), 2011, Öl auf Leinwand, © Gerhard Richter 2022 (23032022)

Gerhard Richter, Besetztes Haus (659-3), 1989, Öl auf Leinwand, © Gerhard Richter 2022 (23032022)

Gerhard Richter, Grau (401), 1976, Öl auf Leinwand, © Gerhard Richter 2022 (23032022)

 

 

 

 

 

Herzlichen Dank an KARL & FABER Kunstauktionen für die Veröffentlichung!

Mein Plädoyer für die richtige Rahmung ist im KARL & FABER Journal Im Austausch 2022 erschienen.

  

Im Austausch 

  

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