Referenz
24.07.2023

Ein üppig verzierter Goldrahmen oder ein einfaches Brett für ein expressionistisches Gemälde: Zwei äußerst gegenläufige Präsentationsweisen moderner Kunst, die beide in der gegenwärtigen internationalen Museumslandschaft zu finden sind. Auch wenn die barock- oder renaissanceartigen Goldrahmen immer noch hartnäckig konstant den dominanten Ausstellungsdiskurs bilden, deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Immer mehr Museen lassen Kunstwerke der Moderne mit originalen Rahmen aus ihrer Entstehungszeit rahmen. Eine Entwicklung, die ein allmählich wachsendes Bewusstsein für eine (historisch) richtige Rahmung anzeigt: Die Intention der Künstler*innen steht im Vordergrund, ihr so nahe wie möglich zu kommen ist das Ziel.

 

Im Falle der Avantgarden des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bedeutet eine solche historisch motivierte Herangehensweise, sich endlich von den (Pseudo)-Barockrahmen zu verabschieden: denn die Künstler*innen der Moderne lehnten den damals üblichen, prächtig verzierten Goldrahmen ab. Sie stellten ästhetische Normen radikal in Frage und das äußerte sich auch in Form und Verwendung der Bilderrahmen. Sie entwickelten neue Rahmentypen, -konzepte und Präsentationsweisen. Ihre eher schlichten Rahmen bemalten sie oft selbst, stimmten sie individuell auf ihre Bilder ab und wendeten sich damit gegen die Normen des Ausstellungbetriebes und die Vorlieben der Sammler*innen: Sie verweigerten den Neobarock -und Neorokokorahmen – eine im 19. Jahrhundert von Kunden und Händlern favorisierte Rahmungsweise. Bis heute wird in vielen Sammlungen an den goldglänzenden, mit Ornamenten übersättigten Rahmen festgehalten, obwohl sie damals schon von den progressiven Künstler*innen der Moderne abgelehnt wurden. Zudem sind die pompösen Einfassungen meist qualitativ minderwertig, was in augenfälligem Kontrast zu den Meisterwerken steht. Wir sprechen daher von Pseudo-Barockrahmen: stillosen, prätentiösen, schlecht gemachten Imitaten. Die Kunst der Moderne befindet sich heute also oftmals in doppelter Hinsicht im falschen Rahmen: sowohl stilistisch als auch qualitativ.

 

 

Edvard Munch z.B. bevorzugte weiße, graue oder braune, sehr schlichte Rahmen mit einem Halbrundstabprofil. Damit wendete er sich bewusst gegen die damals geltende Konvention prunkvoll verzierter, vergoldeter Gipsrahmen. Nicht nur seine avantgardistischen Bilder riefen Proteststürme hervor, sondern auch sein unaufgeregtes Rahmungskonzept. Die Brücke-Künstler orientierten sich daran und entwickelten es weiter. Werkstattfoto WERNER MURRER RAHMEN

Munch Rahmenfoto

 

 

Die Rahmenkonzepte der Expressionist*innen

Bei den Expressionist*innen, im Speziellen der Künstlergruppe Brücke, ist die Unstimmigkeit zwischen ihren eigenen Rahmungskonzepten und der heutigen vorherrschenden, opulent glänzenden Präsentationsweise besonders eklatant: Sie entwickelten einen eigenen Rahmentypus, den sogenannten „Bretterrahmen“. Die schwarze Version dieses schlichten Rahmens mit einfachen, flachen rechteckigen Brettern signalisierte nicht nur die Gruppenidentität, sondern avancierte zum expressionistischen Rahmen schlechthin. Daneben gab es viele Variationen des Plattenrahmentypus, von holzsichtig bis farbig gefassten Brettern mit oder ohne zusätzlicher Profilierung. Die Künstler*innen betrachteten Bild und Rahmen als kompositionelle Einheit. Für nahezu jedes Bild entwarfen sie einen eigenen Rahmen und gestalteten ihn oft selbst. Bild und Rahmen sind also im Sinne eines Gesamtkunstwerkes untrennbar miteinander verbunden.


Durch den 2. Weltkrieg, die Beschlagnahmungen der Nationalsozialisten und die folgenden Besitzerwechsel wurden Bild und Rahmen jedoch oft getrennt. Ein Großteil der originalen Rahmen ist für immer verschollen, ein unwiederbringlicher kulturhistorischer Verlust. Vielen Sammler*innen, Museumsleiter*innen und Kunsthändler*innen erschienen die „einfachen“ Rahmen viel zu schlicht. So wurden auch nach dem 2. Weltkrieg noch viele Künstlerrahmen entfernt und, dem damaligen Zeitgeist und Geschmack entsprechend, durch üppige, meist goldene Rahmen ersetzt: Die qualitativ oft minderwertig nachgeahmten Barock- und Renaissancerahmen avancierten zur unhinterfragten Sehgewohnheit.

 

 

Dass sich der schwarze Bretterrahmen zu einem Merkmal des deutschen Expressionismus entwickelte, geht hauptsächlich auf die Brücke-Künstler zurück. Die schwarz gefassten Nadelholzrahmen mit einfachem Profil traten bei ihnen vor allem zwischen 1910 und 1913 auf. Ernst Ludwig Kirchners Gemälde Lungernde Mädchen, 1911, rahmten wir für die HAMBURGER KUNSTHALLE mit einer Rekonstruktion eines für diese Zeit typischen Expressionistenrahmens.

 

 

Ernst Ludwig Kirchner, Lungernde Mädchen, 1911HAMBURGER KUNSTHALLE, Dauerleihgabe aus Privatsammlung

 

 

Diskursverschiebung: Kunst der Moderne so rahmen, wie es die Künstler*innen anstrebten

Bis vor einigen Jahren beachtete der Kunstbetrieb die holistische Auffassung von Gemälde und Rahmen nicht, selbst in den Kunstwissenschaften wurde die nach Künstler*innenwillen unzertrennliche Einheit ignoriert. Langsam findet ein Umdenken statt. Immer wieder lassen Museen und Sammlungen einzelne Werke der Moderne mit originalen Rahmen aus ihrer Entstehungszeit rahmen. Neben punktuellen Neurahmungen können bereits vier exemplarische Beispiele großer Neu-/Umrahmungsprojekte genannt werden: Die HAMBURGER KUNSTHALLE ließ im Zuge ihrer Modernisierung und anschließenden Wiedereröffnung 2016 viele Meisterwerke der Moderne neu rahmen. Gemälde von Brücke-Künstlern wie Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein, aber auch von Wassily Kandinsky, Paul Klee, Franz Marc, Max Ernst und Max Beckmann erhielten meist originale Rahmen aus ihrer jeweiligen Entstehungszeit. Die historischen Rahmen stammen aus unserer umfangreichen Rahmensammlung. Für einige Werke fertigten wir auch Kopien nach historischen Vorlagen an.

 

 

Franz Marc, Affenfries, 1911; originaler Rahmen mit Halbrundstabprofil aus der Entstehungszeit des Gemäldes. HAMBURGER KUNSTHALLE


 

 

2014 ließ das BUSCH-REISINGER MUSEUM in Cambridge, USA, anlässlich des Umzugs in einen neuen Museumsbau einige bedeutende Werke aus der Sammlung europäischer Kunst der Moderne, darunter ebenfalls Arbeiten der Brücke-Künstler, umrahmen. Wie auch bei der HAMBURGER KUNSTHALLE rahmten wir viele Gemälde mit originalen Rahmen aus ihrer Entstehungszeit, für andere wiederum fertigten wir handwerklich aufwendige Kopien historischer Rahmen: So fassten wir beispielsweise Gemälde der Brücke-Künstler mit Rekonstruktionen expressionistischer Rahmen entsprechend der Rahmungsweise des jeweiligen Künstlers und in Abstimmung auf das jeweilige Werk ein. Auch die ALBERTINA in Wien entschied sich für eine umfangreiche Umrahmung bedeutender Werke der klassischen Moderne. Von Edgar Degas, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir über Pablo Picasso bis hin zu den Expressionist*innen – alle rahmten wir entsprechend ihrer Entstehungszeit mit originalen Rahmen oder Nachbauten.

 

 

Edgar Degas, Zwei Tänzerinnen, um 1905; originaler Whistler-Rahmen um 1900 mit gerillter Profilabfolge ALBERTINA, Wien

 

 

Ein weiteres Neurahmungsgroßprojekt führten wir für das 2021 neu eröffnete MUNCH MUSEUM in Oslo durch. Edvard Munch, Wegbereiter des Expressionismus und einer progressiven Rahmungsweise, hatte genaue Vorstellungen davon, wie seine Bilder gerahmt werden sollen: nicht mit vergoldeten Ornamenten, sondern mit einfachen Leisten, häufig Flachrundstableisten. Bislang haben wir für mehrere hundert Grafiken und Gemälde historische Rahmen nachgebaut: originalgetreu, authentisch, im Sinne des Künstlers.

 

 

Edvard Munchs Gemälde Mädchen auf der Brücke, 1927, umgeben mit einem vom Künstler oft verwendeten und geschätzten Rahmentypus: ein weiß gefasster, einfacher Rahmen mit Halbrundstabprofil.

MUNCH MUSEUM, Oslo

 

 

Das Umrahmungsprojekt des Busch-Reisinger Museums: Wie eine expressionistische Sammlung eine (historisch) stimmige Identität erhielt

Das BUSCH-REISINGER MUSEUM ist der HARVARD UNIVERSITÄT in Cambridge, Massachusetts angegliedert und bildet zusammen mit dem FOGG MUSEUM und ARTHUR M. SACKLER MUSEUM die HARVARD ART MUSEUMS. Es hat sich auf die Erforschung und Präsentation der Kunst aus deutschsprachigen Ländern spezialisiert, ein Schwerpunkt der umfassenden Sammlung liegt auf Werken der frühen Moderne. Anlässlich des Umzugs in eine neue Museumsanlage, in der alle drei Museen seit 2014 unter einem Dach vereint sind, plante Dr. Lynette Roth, Daimler-Kuratorin und Leiterin der Abteilung Moderne und Zeitgenössische Kunst, zusammen mit ihrem Team ein großes Umrahmungsprojekt, das sie 2012 und 2013 mit unserer Expertise durchführten: Sie ließen die expressionistische Sammlung und weitere Werke der Moderne aus dem deutschsprachigen Raum neu rahmen. Lynette Roth nahm die konzeptuelle Einheit von Gemälde und Rahmen bei den Brücke-Künstlern wahr, erkannte die Bedeutsamkeit einer historisch stimmigen Rahmung und stieß bei ihrer kunstwissenschaftlichen Recherche bald auf uns – dies war der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit, die immer ein gemeinsames Ziel hatte: jeden Rahmen auf jedes einzelne Gemälde individuell abzustimmen, um im Sinne des/der jeweiligen Künstler*in und des expressionistischen bzw. modernen Rahmungskonzeptes eine harmonische Einheit von Bild und Rahmen zu schaffen – der originalen Rahmung also möglichst nahe zu kommen.

 

 

Einen von Alexej von Jawlenskys berühmten, ausdrucksstarken Frauenköpfen rahmten wir so, wie es der Künstler selbst oft tat: mit einem etwas breiteren Profilrahmen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Alexej von Jawlensky, Frauenportrait, ca. 1911, HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM

 

 

Viele Werke der Sammlung des BUSCH-REISINGER MUSEUMS wurden nach dem 2. Weltkrieg angekauft. Vermutlich besaß zu diesem Zeitpunkt keines der Gemälde mehr seinen originalen Rahmen. Nach dem Ankauf in den 50er und 60er Jahren ließ das Museum die meisten Arbeiten neu rahmen. Hinweise darauf liefern z.B. die Leinen-Einlagen, ein beliebtes, heute nur noch schwer nachvollziehbares Feature der Rahmungsweise in der Nachkriegszeit. In diesen (unpassenden) Rahmen, befanden sich die Gemälde bis zu Beginn des Umrahmungsprojektes. Rund 20 Werke aus der Sammlung erhielten mit den neuen Rahmen ein Stück ihrer früheren Identität zurück: Nicht nur Gemälde der Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Otto Mueller und Emil Nolde, sondern auch anderer Expressionist*innen, darunter Gabriele Münter, Paula Modersohn-Becker und Alexej von Jawlensky, rahmten wir ihrer Entstehungszeit entsprechend mit originalen Rahmen aus unserer Sammlung oder mit Kopien historisch korrekter Rahmen. Auch Werke, die früheren Strömungen zugerechnet werden wie z.B. dem Impressionismus oder späteren wie z.B. der Neuen Sachlichkeit, dem Dadaismus oder Bauhaus rückten durch die Umrahmung dem Erscheinungsbild ihrer Epoche sehr nahe. Zu nennen sind hier Gemälde von Max Liebermann, Lyonel Feininger, Oskar Schlemmer, Georg Muche, George Grosz, Heinrich Hoerle und Max Ernst.

 

 

Oskar Schlemmer, Drei Figuren mit Möbelformen, 1929, HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM, Nachbau eines schmalen Leistenrahmens. Als Vorlage diente ein originaler Rahmen um Schlemmers Gemälde Fünf Figuren im Raum, Römisches, 1925, im KUNSTMUSEUM BASEL.

  

 

Was heißt es, historisch richtig zu rahmen? Wie sieht eine historisch richtige Rahmung aus? 

Um der Intention des/der Künstler*in zu entsprechen, wäre eine Wiedervereinigung mit dem originalen Rahmen der Idealfall. Manchmal taucht ein im Kunsthandel der Nachkriegsjahre verschwundener, originaler Rahmen wieder auf und kann mit dem entsprechenden Gemälde vereint werden, wie es uns z.B. im Falle von Ernst Ludwig Kirchners Tänzerin Nina Hard gelungen ist – das sind jedoch sehr seltene Glücksfälle. Um den Vorstellungen der Künstler*innen dennoch möglichst nahe zu kommen, werten wir für die Rekonstruktion einer historisch richtigen Präsentationsweise alle vorhandenen historischen Dokumente, Fotografien und Schriften aus. Hinzu kommen Wissen und Erkenntnisse jahrelanger kunsthistorischer Forschungsarbeit zu den Rahmen der klassischen Moderne, insbesondere der Expressionist*innen. Dieses Wissen bildet die Basis unserer Herangehensweise bei der Wahl eines antiken Rahmens aus unserer Sammlung und die Grundlage unseres Handwerks bei der Fertigung eines Nachbaus. Holzart, Fassung und Profil stimmen wir, in Einklang mit den historischen Quellen, auf das jeweilige Gemälde ab.

 

 

Rahmen-Rekonstruktionen    

 

Auf der historischen Schwarz-Weiß-Fotografie von Ernst Ludwig Kirchners Gemälde Selbstbildnis mit Katze, 1920, ist der vom Künstler favorisierte Bretterrahmen gut zu erkennen.

  

 

Ernst Ludwig Kirchner, Selbstbildnis mit Katze, 1920 HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM

 

 

Für Ernst Ludwig Kirchners Gemälde Selbstbildnis mit Katze, 1920, bauten wir einen Expressionisten-Rahmen, genauer gesagt eine Rekonstruktion eines Kirchner-Rahmens nach Vorlage einer historischen Fotografie. Es wurde von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, aus dem FOLKWANG MUSEUM in Essen entfernt und fotografiert. Das Foto zeigt einen für Kirchner typischen Rahmen mit einer auf Gehrung gearbeiteten Eckverbindung. Da es sich um eine schwarz-weiß Fotografie handelt, ist die Fassung nicht eindeutig zu erkennen. Es ist aber stark anzunehmen, dass Kirchner den Rahmen in Goldbronze fasste, eine von ihm bevorzugte Oberflächengestaltung. Einige weitere originale Bild-/Rahmenkombinationen von Ernst Ludwig Kirchner sind gut belegt, da er einer der ersten Künstler war, dessen Werke urheberrechtlich geschützt wurden: Um sich die Rechte zu sichern und sich einen Überblick zu bewahren, fotografierte Kirchner seine Arbeiten und dokumentierte sie sorgfältig.

 

 

Bei Otto Muellers Gemälde Akt zwischen Bäumen, um 1929, orientierten wir uns bei der Rekonstruktion des Rahmens ebenfalls an einer historischen Fotografie: ein sehr seltener Glücksfall, da es zu Otto Muellers Werk kaum historisches Bildmaterial gibt. Auf dem Foto steht der Künstler (Mitte) vor seinem Gemälde mit einem in schwarz gefassten, expressionistischen Nadelholzrahmen. Links neben ihm sitzt Karl Nierendorf, rechts Herbert Tannenbaum. Foto: Bruno Schuch, um 1928, HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM Archiv, BR53.102

 

  

Otto Mueller, Akt zwischen Bäumen, um 1925HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM

 

  

Alexej von Jawlenskys abstraktes Gemälde ist mit einem exakten Nachbau eines sogenannten Vinecky-Rahmens umgeben. Diesen Rahmentyp entwarf Jawlensky zusammen mit dem Bildhauer Josef Vinecky speziell für seine Serie Abstrakter Köpfe, zu der auch die Komposition Nr. 1, Sonnenaufgang, um 1924, zählt. HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM

  

 

Rahmung mit originalen Rahmen aus der Entstehungszeit 

Nicht immer liegen uns historische Fotografien mit der originalen Rahmung vor. Auf Grund unserer Forschungen und unserer Bilddatenbank mit über 125.000 originalen Bild-/Rahmenkombinationen, wissen wir jedoch in den meisten Fällen, wie die Künstler*innen ihre Werke rahmten bzw. welche Rahmen in der Entstehungszeit ihrer Werke verwendet wurden.  

 

 

Für Paula Modersohn-Beckers Gemälde Zweistämmige Birke vor Landschaft, 1899, wählten wir einen originalen Expressionisten-Rahmen aus unserer Rahmensammlung. Der holzsichtige Rahmen mit Giebelprofil und sichtbarer Maserung korrespondiert sehr harmonisch mit dem Motiv des Gemäldes, den Birkenstämmen. HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM

 

 

Originale Rahmung erkennen

Manchmal wurden in der Nachkriegszeit Bild und Rahmen nicht getrennt, aber die Rahmen in ihrem Aussehen stark verändert, z.B. durch eine Bearbeitung der Fassung. Max Beckmanns Triptychon Schauspieler, 1941-1942, kann hier als Beispiel genannt werden: Der originale Rahmen wurde mit schwarzem Hochglanzlack lackiert. Durch unsere Forschung zu den Rahmen Beckmanns, einschließlich einer Reise nach Minneapolis, um das einzige, im originalen Rahmen erhaltene Triptychon zu sichten, und die Analyse der Rahmenrückseite konnten wir den Rahmen als ursprünglich identifizieren. Sein originales Erscheinungsbild konnte durch Restaurierungsmaßnahmen seitens des Museums wiedergestellt werden.

 

 

Max Beckmann, Schauspieler, 1941-1942. Durch die Restaurierung konnte der originale „Wormy Chestnut“-Rahmen freigelegt werden. FOGG MUSEUM/BUSCH-REISINGER MUSEUM

 

 

Eine neue museale Präsentation

Mit den Neurahmungen erreichten wir nicht nur historisch korrekte, harmonische Bild-Rahmenkombinationen im Sinne der Künstler*innen, sondern auch ein neues Erscheinungsbild der Sammlung in ihrer Zusammenschau: In den Ausstellungsräumen ist die Gruppenidentität der Brücke-Künstler nun eindeutig erkennbar, die Präsentation aller Werke der Moderne ist in sich stimmig. Nach der Eröffnung schrieb die NEW YORK TIMES: “Work from the Busch-Reisinger, [...], has never looked better. [...] In the new galleries, its collection, especially its pre-World War II expressionist paintings, looks smashing.” Und wenn vielen Besucher*innen nach der Umrahmung nicht die neuen Rahmen ins Auge fielen, sondern eine veränderte, vollendete Wirkung der Werke, sind wir glücklich: Denn eine richtige Rahmung drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern bildet mit dem Werk eine perfekte Einheit.
 
Unsere beständige Arbeit und unser Anliegen, die eingeschliffenen Sehgewohnheiten zu überprüfen, ein Bewusstsein für die richtige Rahmung und Präsentationsweise zu schaffen, wirkt sich positiv auf die Diskursverschiebung aus. Insbesondere übte unser umfassendes Forschungsprojekt zu den Künstlerrahmen der Brücke mit der Ausstellung UNZERTRENNLICH. Rahmen und Bilder der Brücke-Künstler und gleichnamigem Katalog einen großen Einfluss auf die kunsthistorische Einordnung und Wahrnehmung sowie auf die Ausstellungspraxis expressionistischer Bilder und ihrer Rahmen aus. Erst wenn sich eine historisch richtige Präsentationsweise durchgesetzt hat, werden wir der Kunst gerecht. Im Falle von zeitgenössischer Kunst bedeutet das aber auch, ganz auf Rahmen verzichten zu können: denn zeitgenössische Kunst braucht (oft) gar keine Rahmen.

 

Einleitungsfoto: Ernst Ludwig Kirchner, Selbstbildnis mit Katze, 1920, Ausschnitt, HARVARD ART MUSEUMS/BUSCH-REISINGER MUSEUM

 

 

 

In der Serie HARVARD ART MUSEUMS from Home: Art Talks erklärt Dr. Lynette Roth, Kuratorin und Leiterin der Abteilung Moderne und Zeitgenössische Kunst, in der Folge Art Talk Live: New Frame(work)s for German Expressionism den Prozess des Umrahmungsprojektes und zeigt exemplarische Beispiele verschiedener Rahmentypen.

Film Still Art Talk Lynette Roth

 

 

 


 

 

 

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